Der hier verlegte Stolperstein soll mit „Walter Berg“ an die gesamte von NaziVerfolgung betroffene Berliner Familie Berg erinnern.
Walter Salomon Berg wurde am 12.7.1878 in Berlin geboren. Sein Medizinstudium schloss er 1898 an der Universität Freiburg im Breisgau ab. Danach schlug er die Universitätslaufbahn ein. Ab 1906 unterrichtete er in Straßburg und ab 1914 an der Albertus-Universität Königsberg, seit 1923 als Ordinarius (also ordentlicher Professor) für Anatomie .
Am 27.7. 1921 heiratete er in Nikolassee die als Bühnenbildnerin ausgebildete, am 7.7.1897 in Berlin-Charlottenburg geborene Magdalene Du BoisReymond. Als 1933 das sog. Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in Kraft trat, konnte er zunächst noch trotz seiner jüdischen Herkunft -er hatte vier jüdische Großelternteile (s. „mapping the lives“), war aber evangelisch getauft – gemäß dem sog. Frontkämpferprivileg des § 3 Abs.2 des Gesetzes in seinem Professorenamt verbleiben. Nach dem Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze vom 15.September 1935 aber wurde er auf der Grundlage des Reichsbürgergesetzes – zu der Zeit 57 Jahre alt – entlassen (Bundesarchiv Berlin R 4901/13259 und 26066, R9347).
Im Sommer 1938 zog er zusammen mit seiner (nichtjüdischen) Ehefrau und seinen beiden in Königsberg geborenen Söhnen Robert, geb. 21.6.1922, und Fritz Erich, geb. 29.7.1923 nach Berlin, wo die Söhne das Schiller-Gymnasium besuchten. Die Familie zog in das Haus Eichkampstraße 122. Das Haus war von seinem Bruder Dr. phil. Otto Berg, geb. 23.11.1874 in Berlin und dessen Ehefrau Julia, geb. Zuntz 1927 er1richtet worden. Dieser Dr. Otto Berg, ein berühmter Chemiker (Entdecker zweier Elemente, s. WikipediaArtikel), war Ende März 1938 mit Frau und zweien seiner Kinder nach Großbritannien emigriert (s. Eichkamp-Buch s. 208).
Im Zusammenhang mit seiner Emigration hatte Otto Berg das Haus an die „vollarische“ Frau seines Bruders Walter verkauft.
Otto Berg starb in England im Laufe des Jahres 1939. Im Juli bzw. August 1939 emigrierten die beiden Söhne Robert (17jährig) und Fritz Erich Berg (16jährig) nach Großbritannien – vermutlich mit einem Kindertransport und/oder zur Familie ihres Onkels Dr.Otto Berg.
Robert machte dort eine Ausbildung zum Optiker. 1940 wurde er als „feindlicher Deutscher“ interniert und dann – zusammen mit seinem Bruder – auf einem völlig überladenen Schiff nach Australien verbracht. Während der Überfahrt brach er zusammen, kam anschließend dauerhaft in eine psychiatrische Klinik. Ende 1947 wurde er nach Deutschland zurückgesandt und dann in einer psychiatrischen Heilanstalt (Haus Kannen in Amelsbühren bei Münster) untergebracht.
Fritz Erich wurde Ingenieur und wanderte Anfang der 50er Jahre von England nach Kanada (Montreal) aus, wo er sich Fred Eric Burke nannte. Ein paar Jahre später folgte ihm seine Mutter, die 1947 gleichfalls nach England (London) emigriert war (s. Entschädigungsakte) und sich ebenfalls später Burke nannte.
Das Eichkamp-Buch (siehe Seite 208) hatte nahegelegt, dass Walter Berg „spätestens 1944 in einem OT-Lager interniert war, aus dem er bei Kriegsende befreit wurde. Eine Nachbarin wird zitiert:“….zwei führten einen alten gebrochenen, einen großgewachsenen Mann…Da hieß es: Ja, das ist der Professor Berg. Ein vollkommen zerstörter Mensch. Da kam der zurück aus irgendeinem, befreit aus einem Lager.“
Ein Lageraufenthalt hat sich bei Einsicht in die Entschädigungsakten nicht verifizieren lassen: Eine Haftentschädigung wurde nicht begehrt. Trotzdem hat diese Zeitzeugen-Erinnerung wohl einen wahren Kern: In der Homepage der Familie Berg berichtet Heinz Berg, einer der mit nach GB emigrierten Söhne von Otto Berg, also der Neffe von Walter Berg:
I must still add that Walter was drafted later in the war to help clearing the rubble of bombed houses although he was not fit for any manual work. He died shortly after the end of the war in 1945.
https://familyberg.weebly.com/berg-details.html
Daraus lässt sich schließen, dass er (von seiner Wohnung aus) zu Enttrümmerungs-Arbeiten eingesetzt wurde, was wohl ab 1943, seit Berlin von starken Bombenschäden betroffen war, geschehen ist. Seit dieser Zeit waren auch jüdische Ehemänner von „vollarischen“christlichen Frauen, die in sog. „privilegierter Mischehe“ lebten, nicht mehr von Zwangsarbeit verschont.
Prof.Dr. Walter Berg ist ca. drei Monate nach dem Ende des Krieges, am 18. August 1945 in der privaten Nervenklinik Nußbaumallee 38 in Berlin Charlottenburg gestorben. Ob er dort eingeliefert worden war, weil er eine Suchtproblematik aufwies (darauf war die Klinik spezialisiert), ist unbekannt. Jedenfalls weist der Totenschein als Todesursache „Hirnschwund,Aderverkalkung, Ruhr, Schlaganfall, Insult“ aus. Also eine vollkommen zerrüttete Gesundheit, wie sie die Eichkamper Nachbarn bezeugt haben.